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Klimatipps – nicht nur für Los Angeles

14338415117_c87efa21c6_kDas Lummis House in Los Angeles hat ein amerikanischer Journalist um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert im Norden der Stadt bauen lassen. Es ist heute ein Denkmal, und der Garten ist nach den Grundsätzen des „Drought-tolerant gardening“ angelegt. Quelle: Ken Lund, Flickr, Creative Commons Licence, unverändert

Hamburg, den 22. September 2016

Zur Abwechslung mal ein paar Klimatipps für Haus und Grundstück. Der erste erreicht uns aus Los Angeles in Kalifornien, wo die vergangenen fünf Jahre der trockenste solche Zeitraum waren, seit  das Wetter regelmäßig registriert wird – also seit 140 Jahren. Mehr noch: Eine Dürre wie 2012 bis 2014 sollte nur alle knapp 10 000 Jahre einmal eintreten, haben Wissenschaftler berechnet. Das hat an der Pazifikküste bereits ein Umdenken im Hinblick auf den Klimawandel verstärkt, von dem Deutschland noch weit entfernt ist. So will der Staat Kalifornien im Alleingang bis 2030 den Ausstoß von Treibhausgasen um 40 Prozent unter das Niveau von 1990 senken  – das rechtfertigt allemal den Blick in eine Region, die neun Zeitzonen von Deutschland entfernt liegt.

Die Behörden der südkalifornischen Metropole haben auf die Dürre zum Beispiel mit dem Cash for Grass-Programm reagiert und bieten Gartenbesitzern Zuschüsse an, wenn sie ihren Rasen durch eine wassersparende Landschafts-Gestaltung ersetzen: Mulch, Steine und vor allem genügsame Pflanzen. Dafür gibt es ein Handbuch, das zum Beispiel die Salbei-Art hummingbird sage anpreist, das im Südwesten heimische deergrass, diverse Büsche und Ranken oder natürlich die Staatsblume, den kalifornischen Mohn.

Der Sinn ist, den gewaltigen Wasserverbrauch beim Sprengen des Rasens  zu reduzieren. Er war ohnehin schon durch Verordnungen eingeschränkt: Sprinkler durften nur 15 Minuten alle zwei Tage angestellt werden, und nicht zwischen 9 und 17 Uhr. Doch was die weiteren Folgen über das Wassersparen hinaus wären, wenn alle Hausbesitzer in LA ihre Gärten umgestalteten, das war bisher noch nicht richtig klar. Viele konnten sich ja ausmalen, dass die Temperaturen in unmittelbarer Umgebung des Hauses ansteigen, wenn das verspritzte Wasser nicht mehr zu großen Teilen verdunstet.

Genau das bestätigt nun eine neue Studie, die in den Geophysical Research Letters erschienen ist – allerdings zeichnet sie ein differenziertes, durchaus interessantes Bild. Während sich die Region nämlich zunächst tatsächlich tagsüber aufheizt, wenn Gärten nicht mehr gesprengt werden, kühlt sie nachts um so stärker ab. Bemerkbar macht sich das den Berechnungen zufolge schon zu einer Uhrzeit, zu der die Bewohner abends von der Arbeit nach Hause kommen, nachdem sie den üblichen Rushhour-Stau bewältigt haben. Am deutlichsten ist der Effekt in den Abendstunden. Und falls der Umbau der Pflanzenwelt nur konsequent genug vollendet wird, schwindet auch die Erwärmung in der Mittagszeit wieder, weil die Brise vom Pazifik weiter ins Land hineinreicht.

Die Erklärung ist eigentlich einfache Physik: Wenn die Erde nicht mehr künstlich feucht gehalten wird, bremst das den Austausch von Energie zwischen Luft und Boden: Die von der Sonne erwärmte Erde kann die sich Luft nicht mehr so leicht daran hindern, sich abzukühlen.

Pouya Vahmani und George Ban-Weiss von der University of Southern California haben ein regionales Klimamodell für Los Angeles laufen lassen und in der virtuellen Metropole zuerst alle Gartenpflanzen, dann auch das ganze Grünzeug auf öffentlichen Flächen ausgetauscht. Das geht natürlich nicht wie zum Beispiel bei den „Sims“, wo man den Garten seines computeranimierten Hauses liebevoll neu bepflanzt: Die Datenpunkte im Modell waren zwei mal zwei Kilometer groß. Die Forscher haben darum Kenngrößen der Vegetation verändert, vor allem Angaben über die Stomata der Pflanzen (also die Spaltöffnungen, über die sie Gase wie Wasserdampf und Kohlendioxid mit der Umgebung austauschen) und die sogenannten Rauhigkeitslänge (die Höhe über dem Boden, auf der die Vegetation den Wind praktisch auf Null gebremst hat). Sie haben auch die Albedo (also die Menge an Sonnenlicht, die Pflanzen reflektieren) variiert, aber das hatte ihren Angaben zufolge nur wenig Effekt. Den weiteren Klimawandel, der Los Angeles bis zum Ende des Jahrhunderts um drei bis fünf Grad erwärmen könnte, ignorieren die Forscher zunächst, er lässt sich in Simulationsrechnungen einfach abschalten.

droughttolerancefig2Simulationsrechnung, wie der Umbau nur von privaten Gärten (Phase 1) oder auch von allen öffentlichen Flächen (Phase 2) die Temperaturen an einem Julitag in Los Angeles
um 14 und 22 Uhr verändern würde. Quelle: Vahmani/Ban-Weis,
Geophysical Research Letters, Figure 2

Konkret warf der Computer folgende Zahlen aus: In der Phase 1, bei der nur die privaten Rasenfläche umgewandelt wurden, erwärmte sich das Stadtgebiet an Julitagen mittags um zwei Uhr im Mittel um 0,7 Grad Celsius; Spitzenwerte erreichten die Regionen im San Fernando Valley nördlich der Hollywood Hills und Santa Monica Mountains sowie in Riverside am östlichen Ende des Beckens von Los Angeles: Hier wurde es mittags um 1,9 Grad wärmer, wenn die Gärten nicht mehr gewässert wurden. Nachts um 22 Uhr hingegen kühlte sich die Metropole deutlich ab, und zwar gerade in den tagsüber erhitzen Regionen fern des Meeres – im Mittel um etwas mehr als drei Grad. Das ist nicht nur vom Betrag her mehr, sondern auch wichtiger für die Gesundheit der Angelenos. Gesundheitsschäden drohen bei einer Hitzewelle vor allem, weil die Menschen nachts keine Abkühlung mehr finden und der Schlaf massiv gestört ist.

In der Phase 2, in der auch alles öffentliche Land virtuell umgemodelt wurde, blieb die nächtliche Abkühlung gleich, und sogar tagsüber sanken die Temperatur im Mittel nun um 0,2 Grad. Verantwortlich waren vor allem die küstennahen Regionen (siehe Grafik oben). Dass im Durchschnitt eine Abkühlung herauskam, hat die Forscher selbst überrascht, wie sie schreiben. Ganz trauen sie dem Wert auch nicht; je nach Wahl der Pflanzenparameter könnte es doch eine geringe Erwärmung geben. Entscheidend für den Unterschied zu Phase 1 war jedenfalls, dass die neuen Pflanzen die Seebrise besser passieren lassen, so dass sie weiter ins Land reicht.

Das letzte Wort ist allerdings nicht gesprochen: Das Umpflanzen könnte nämlich auch bedeuten, dass manche Bäume strubbeligen Büschen weichen müssten, und da würden vermutlich nicht nur die Umweltschützer – in den USA bisweilen als „Treehugger“ verspottet – protestieren.

24150210766_f5d47bf138_kDer Dachboden eines Hauses in Kalifornien. Der Boden ist gedämmt, die Unterseite des Daches jedoch nicht sonderlich isoliert. Foto: mit freundlicher Erlaubnis jimvancura.com

Der zweite Tipp für das Energiesparen kommt zwar nicht aus Kalifornien, aber er führt dorthin. Gerade die Metropole Los Angeles nämlich, oft das Sinnbild für Energieverschwendung, hat bei einem Vergleich von sechs Städten am besten abgeschnitten: Die Häuser dort verbrauchen am wenigsten für Heizen und Kühlen, und der Bedarf dürfte im Rahmen des Klimawandels sogar noch sinken, stellt ein Team um Anthony Fontanini von der Iowa State University und dem Fraunhofer-Zentrum für nachhaltige Energiesystem in Boston fest.

In ihrer Studie wollten die Forscher eigentlich den Effekt der Dachkonstruktion erkunden und haben sechs verschiedene Geometrien im Computer simuliert: vom Flach- über das Sattel- und Walm- bis zum Mansarden-Dach mit oder ohne Gauben. Sie werden in den USA ganz anders gebaut als hierzulande: aus leichten Materialien, ganzjährig belüftet. Die Isolationsschicht liegt (oder sollte liegen) zwischen der Decke der Wohnräume und dem Fußboden des Dachbodens.Dass die Bewohner unter dem Dach etwas lagern oder gar ein Zimmer einbauen, haben die Wissenschaftler dabei ignoriert.  Darum änderte die Konstruktion am Ende kaum etwas am Energiebedarf des 143-Quadratmeter-großen Bungalows darunter.

Aber es bewahrheitete sich wieder der alte Makler-Spruch, wonach es auf Lage, Lage und Lage ankommt. In diesem Fall ging es jedoch nicht um Stadtviertel oder gar Straßenseiten (wie bei der Hamburger Elbchaussee), sondern um geografische Regionen, als das Forscherteam die Städte Baltimore, Atlanta, Minneapolis, Seattle, Phoenix und Los Angeles verglichen. Die Metropole in Kalifornien schnitt dabei am besten ab, das heißt, hier floss am wenigsten unerwünschte Wärmeenergie durch die Decke des Wohnbereichs: im Sommer als Wärme nach unten, die weggekühlt werden muss, im Winter als Wärme nach oben, die entweicht und ersetzt werden muss.

Insgesamt ergab sich für den Bungalow in Los Angeles ein hochgerechneter Energiebedarf von gut 11 000 Kilowattstunden, das wäre auch im Vergleich mit relativ neuen Häusern in Deutschland ein guter Wert von 78 KWh/m2 ∙ a. Allerdings liegt das natürlich am milden Klima, nicht an der Bausubstanz. Die zweitplatzierte Stadt, Seattle, kam auf gut 15 000, Phoenix als Schlusslicht auf fast 22 000 Kilowattstunden. Seinen Spitzenplatz erreichte Los Angeles in der Summe über Heiz- und Kühlperiode. Nur in Phoenix muss man im Winter weniger heizen, dafür im Rest des Jahres viel mehr kühlen. In Minneapolis und Seattle wiederum läuft im Sommer seltener die Klimaanlage, dafür im Winter häufiger die Heizung.

Los Angeles hat zudem im Vergleich der amerikanischen Städte die besten Aussichten im Klimawandel: Abhängig vom Erwärmungsszenario sinkt in Südkalifornien der Energiebedarf des simulierten Hauses um zehn bis 23 Prozent. Einen kleineren Rückgang dürfen auch Baltimore, Minneapolis und Seattle erwarten, dafür steigt der Verbrauch in Phoenix um bis zu 19 Prozent und in Atlanta um bis zu 44 Prozent. Dort wird die Hitze schon heute oft unerträglich.

9710802780_6fcad6c268_kVon begrünten Dächern im Civic Center-Distrikt von San Francisco hat man  einen
guten Blick auf die Hügel und den markanten Sturm Tower. Quelle: Sergio Ruiz, Flickr,  Creative Commons License, unverändert

Und ein letzter Hinweis, der zwar aus Hongkong stammt, aber überall dort wichtig werden kann, wo Mücken zur Plage werden können. Zwei Geographen der Universität Hongkong haben untersucht, ob begrünte Dächer zum Brutplatz für Moskitos werden können. Ihre Antwort: eher nein. Sie konnten zumindest auf den drei Dachgärten weniger der stechenden Insekten fangen als auf zwei blanken Flachdächern, wo auch immer mal wieder Pfützen entstehen und als Kinderstube der Mücken dienen können. Auf dem begrünten Dach in Los Angeles (oder San Francisco) müssten aber wiederum dürre-tolerante Pflanzen wachsen, das ist wohl klar.

Wo das Meereis bleibt

Polar ice viewed from aboard the Norwegian Coast Guard vessel, "KV Svalbard", during Secretary-General Ban Ki-moon’s visit to the Polar ice rim to witness firsthand the impact of climate change on icebergs and glaciers. The visit is part of the UN Chief's campaign urging Member States to negotiate a fair, balanced and effective agreement at the UN Climate Change Conference in Copenhagen in December. 1/Sep/2009. Polar Ice Rim, Norway. UN Photo/Mark Garten. www.un.org/av/photo/

Meereis vor Spitzbergen im September 2009, aufgenommen vom norwegischen Küstenwachboot KV Svalbard bei einem Besuch des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon,
Foto: UN Photo, Mark Garten, www.un.org/av/photo, flickr, creative commons licence

3. November 2015

Auf Spitzbergen hat der Klimawandel kurz der Jahrtausendwende richtig angefangen. Der Osten der Inselgruppe war bis dahin fest im Griff des Meereises. Wenn es dort 15 eisfreie Tage im Jahr gab, war das schon eine Ausnahme; mehr als 50 kamen praktisch nicht vor. Das begann sich in den späten 1990er-Jahren zu ändern: Der Trend der Jahr für Jahr erfassten eisfreien Tage knickte plötzlich nach oben. Den Maximalwert der historischen natürlichen Schwankungen, also jene 50 Tage, dürfte Spitzbergen etwa 2020 verlassen, und Mitte des Jahrhunderts ist an seiner Ostküste mit 100 eisfreien Tagen im Jahr zu rechnen, haben amerikanische Polarforscher berechnet. Es gehört damit zu den vielen Orten und Regionen rund um die Arktis, die bald verlässlich offenes Wasser vor sich haben werden.

„2050 werden die gesamte arktische Küste und der Großteil des Polarmeers 60 zusätzliche Tage von offenem Wasser erleben, und an vielen Orten werden es sogar 100 Tage sein“, fasst das Team um Katharine Barnhart von der University of Colorado in Boulder ihre Studie zusammen (Nature Climate Change, online, doi: 10.1038/nclimate2848). Die vier haben mit einem Computermodell berechnet, wie ungebremster Klimawandel die Geographie des Hohen Nordens ändern würde: Schließlich war das Eis in vielen Regionen eine feste Größe, dazu gehörten neben Ost-Spitzbergen auch die Ostküste Grönlands, Teile der kanadischen Inseln am Rande des Polarmeers und natürlich das Meer über dem Nordpol. In der ganzen Region beginnt  die Schmelzsaison früher und endet später.

Zurzeit ist diese Phase etwa Mitte September zu Ende. Dann erreicht das Meereis über die gesamte Arktis betrachtet seine geringste Ausdehnung, danach frieren wieder zehntausende Quadratkilometer zu (genauer: sie sind wieder zu mehr als 15 Prozent mit Gefrorenem bedeckt und fallen so aus der Kategorie „eisfrei“ heraus). Neben der jährlichen Durchschnittstemperatur ist die Meereis-Fläche am Ende der Schmelzsaison die zweite Größe, an der unter großer öffentlicher Anteilnahme die von natürlichen Schwankungen überlagerte Veränderung des Klimas abgelesen werden kann (siehe zum Beispiel Noaa und Meereisportal.de). Doch die reine Zahl der Quadratkilometer Meereis ist nur eine sehr pauschale Größe.

Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wann sich die Verhältnisse wo ändern, hat die Gruppe aus Boulder eine sogenannte Ensemble-Simulation ausgewertet. 30-mal wurde dafür das gleiche Klimamodell angeworfen, nachdem es mit jeweils leicht veränderten Ausgangswerten gefüttert worden war. Dieses Verfahren liefert eine Vorstellung davon, wie genau ein Ergebnis einer solchen Kalkulation bestimmt ist oder wie stark es von Zufällen abhängt . Das verleiht den Rechenwerten im besten Fall eine statistische Signifikanz. (Das Verfahren wird auch bei Wetterprognose verwendet: Wenn die Ergebnisse im Ensemble nahe beieinander liegen, und wenn auch die jeweils anderen Wetterdienste ähnliche Ergebnisse erzielen, getrauen sich Meteorologen, auch mal über längere Zeiträume als drei bis vier Tage eine Vorhersage zu machen.)

OpenWaterDaysArctic_Nov2015_Fig2Der Rückzug des ewigen Eises: Die Karte zeigt, in welchem Jahr eine Region der Arktis voraussichtlich zum letzten Mal für ein halbes Jahr von Eis bedeckt ist. Weiße Regionen hatten bisher stets offenes Wasser, das karierte Zentrum niemals. Grafik: Barnhart et al, Nature Climate Changeonline, doi: 10.1038/nclimate2848, Fig 2

Das Ergebnis ist zum Beispiel diese Karte. Sie zeigt, wann sich der Charakter einzelner Regionen der Arktis ändert, weil sie nun weniger als ein halbes Jahr von Eis eingeschlossen sind. In der kanadischen Hudson Bay (links unten) zum Beispiel ist der Prozess im Jahr 2040 abgeschlossen, entlang der grönländischen Küsten zieht sich das heute noch vorherrschende Eis ab 2025 nach Norden zurück. Mindestens 182 Tage Eis im Jahr gibt es dieser Simulation zufolge (sowie unter der Voraussetzung, dass die Staaten der Welt keinen wirksamen Klimaschutz beschließen) am Ende des Jahrhundert praktisch nur noch auf der grönländischen und ostkanadischen Seite des Polarmeeres, aber nicht mehr vor Alaska, und fast nicht mehr vor Sibirien.

Eine andere Studie hatte vor kurzem zudem gezeigt, dass der Arktis in den vergangenen Jahrzehnten sogar noch einiges erspart geblieben ist. Die Luftverschmutzung hat den Klimawandel in der Region abgemildert: 60 Prozent der Erwärmung, die Treibhausgase über das 20. Jahrhundert ausgelöst haben, wurden durch andere Emissionen abgepuffert, die in Form von Aerosolen in der Luft schweben. Die wichtigste Stoffgruppe dabei waren und sind Sulfate. Die Schwefel-Verbindungen, die auch bei Vulkanausbrüchen frei werden, kühlen das Klima ab, weil sie die Wolkenbildung verstärken. Ihnen entgegen wirken Rußpartikel, die in der Arktis niedergehen, und das Eis leicht grau färben. Es absorbiert dann eine Spur mehr Sonnenlicht und schmilzt schneller. Allerdings schützen die Sulfate das Eis stärker als Ruß es gefährdet.

Kanadische Forscher haben sich nun gefragt, wie das weitergeht. In den Zukunftszenarien, mit denen Klimaforscher gemeinhin rechnen, ist auch ein Rückgang der Luftverschmutzung eingeplant: Was aber passiert, wenn dieser Effekt trotz ansonsten leidlich effektiven Klimaschutzes (für Experten: RCP4.5) ausbleibt? Der Arktis, so ergibt die Rechnung von Marie-Ève Gagné und ihrer Kollegen vom kanadischen Umweltministerium, blieben dann die eisfreien Sommer ein weiteres gutes Jahrzehnt erspart: Statt 2045 passiert es erst 2057, dass die Meereis-Fläche im September unter die Grenze von einer Million Quadratkilometer fällt (Geophysical Research Letters, online, doi: 10.1002/2015GL065504). Das wäre deutlich weniger als zurzeit – 2014 waren es etwas mehr als fünf, im Jahr des Rekords 2012 immerhin 3,4 Millionen Quadratkilometer. Die schmutzige Luft wäre dann für das Meereis der Arktis sogar ein wenig vorteilhafter als ein insgesamt erfolgreicher Klimaschutz mit einer ehrgeizigen Senkung der Treibhausgas-Emissionen. „Die Studie bedeutet aber nicht, dass wir keine Gesetze für saubere Luft haben sollten“, sagte Nathan Gillett, Gagnés Kollegen und Ko-Autor, der Webseite Climate Central. „Viele Untersuchungen haben schließlich gezeigt, dass die Reduktion der Aerosole insgesamt große Vorteile bringt.“

Christopher Schrader, alle Recht vorbehalten