Gartenblick

Klimatipps – nicht nur für Los Angeles

Zur Abwechslung mal ein paar Klimatipps für Haus und Grundstück. Der erste erreicht uns aus Los Angeles in Kalifornien, wo die vergangenen fünf Jahre der trockenste solche Zeitraum waren, seit  das Wetter regelmäßig registriert wird – also seit 140 Jahren. Mehr noch: Eine Dürre wie 2012 bis 2014 sollte nur alle knapp 10 000 Jahre einmal eintreten, haben Wissenschaftler berechnet. Das hat an der Pazifikküste bereits ein Umdenken im Hinblick auf den Klimawandel verstärkt, von dem Deutschland noch weit entfernt ist. So will der Staat Kalifornien im Alleingang bis 2030 den Ausstoß von Treibhausgasen um 40 Prozent unter das Niveau von 1990 senken  – das rechtfertigt allemal den Blick in eine Region, die neun Zeitzonen von Deutschland entfernt liegt.

Die Behörden der südkalifornischen Metropole haben auf die Dürre zum Beispiel mit dem Cash for Grass-Programm reagiert und bieten Gartenbesitzern Zuschüsse an, wenn sie ihren Rasen durch eine wassersparende Landschafts-Gestaltung ersetzen: Mulch, Steine und vor allem genügsame Pflanzen. Dafür gibt es ein Handbuch, das zum Beispiel die Salbei-Art hummingbird sage anpreist, das im Südwesten heimische deergrass, diverse Büsche und Ranken oder natürlich die Staatsblume, den kalifornischen Mohn.

Der Sinn ist, den gewaltigen Wasserverbrauch beim Sprengen des Rasens  zu reduzieren. Er war ohnehin schon durch Verordnungen eingeschränkt: Sprinkler durften nur 15 Minuten alle zwei Tage angestellt werden, und nicht zwischen 9 und 17 Uhr. Doch was die weiteren Folgen über das Wassersparen hinaus wären, wenn alle Hausbesitzer in LA ihre Gärten umgestalteten, das war bisher noch nicht richtig klar. Viele konnten sich ja ausmalen, dass die Temperaturen in unmittelbarer Umgebung des Hauses ansteigen, wenn das verspritzte Wasser nicht mehr zu großen Teilen verdunstet.

Genau das bestätigt nun eine neue Studie, die in den Geophysical Research Letters erschienen ist – allerdings zeichnet sie ein differenziertes, durchaus interessantes Bild. Während sich die Region nämlich zunächst tatsächlich tagsüber aufheizt, wenn Gärten nicht mehr gesprengt werden, kühlt sie nachts um so stärker ab. Bemerkbar macht sich das den Berechnungen zufolge schon zu einer Uhrzeit, zu der die Bewohner abends von der Arbeit nach Hause kommen, nachdem sie den üblichen Rushhour-Stau bewältigt haben. Am deutlichsten ist der Effekt in den Abendstunden. Und falls der Umbau der Pflanzenwelt nur konsequent genug vollendet wird, schwindet auch die Erwärmung in der Mittagszeit wieder, weil die Brise vom Pazifik weiter ins Land hineinreicht.

Die Erklärung ist eigentlich einfache Physik: Wenn die Erde nicht mehr künstlich feucht gehalten wird, bremst das den Austausch von Energie zwischen Luft und Boden: Die von der Sonne erwärmte Erde kann die sich Luft nicht mehr so leicht daran hindern, sich abzukühlen.

Pouya Vahmani und George Ban-Weiss von der University of Southern California haben ein regionales Klimamodell für Los Angeles laufen lassen und in der virtuellen Metropole zuerst alle Gartenpflanzen, dann auch das ganze Grünzeug auf öffentlichen Flächen ausgetauscht. Das geht natürlich nicht wie zum Beispiel bei den „Sims“, wo man den Garten seines computeranimierten Hauses liebevoll neu bepflanzt: Die Datenpunkte im Modell waren zwei mal zwei Kilometer groß. Die Forscher haben darum Kenngrößen der Vegetation verändert, vor allem Angaben über die Stomata der Pflanzen (also die Spaltöffnungen, über die sie Gase wie Wasserdampf und Kohlendioxid mit der Umgebung austauschen) und die sogenannten Rauhigkeitslänge (die Höhe über dem Boden, auf der die Vegetation den Wind praktisch auf Null gebremst hat). Sie haben auch die Albedo (also die Menge an Sonnenlicht, die Pflanzen reflektieren) variiert, aber das hatte ihren Angaben zufolge nur wenig Effekt. Den weiteren Klimawandel, der Los Angeles bis zum Ende des Jahrhunderts um drei bis fünf Grad erwärmen könnte, ignorieren die Forscher zunächst, er lässt sich in Simulationsrechnungen einfach abschalten.

droughttolerancefig2Simulationsrechnung, wie der Umbau nur von privaten Gärten (Phase 1) oder auch von allen öffentlichen Flächen (Phase 2) die Temperaturen an einem Julitag in Los Angeles
um 14 und 22 Uhr verändern würde. Quelle: Vahmani/Ban-Weis,
Geophysical Research Letters, Figure 2

Konkret warf der Computer folgende Zahlen aus: In der Phase 1, bei der nur die privaten Rasenfläche umgewandelt wurden, erwärmte sich das Stadtgebiet an Julitagen mittags um zwei Uhr im Mittel um 0,7 Grad Celsius; Spitzenwerte erreichten die Regionen im San Fernando Valley nördlich der Hollywood Hills und Santa Monica Mountains sowie in Riverside am östlichen Ende des Beckens von Los Angeles: Hier wurde es mittags um 1,9 Grad wärmer, wenn die Gärten nicht mehr gewässert wurden. Nachts um 22 Uhr hingegen kühlte sich die Metropole deutlich ab, und zwar gerade in den tagsüber erhitzen Regionen fern des Meeres – im Mittel um etwas mehr als drei Grad. Das ist nicht nur vom Betrag her mehr, sondern auch wichtiger für die Gesundheit der Angelenos. Gesundheitsschäden drohen bei einer Hitzewelle vor allem, weil die Menschen nachts keine Abkühlung mehr finden und der Schlaf massiv gestört ist.

In der Phase 2, in der auch alles öffentliche Land virtuell umgemodelt wurde, blieb die nächtliche Abkühlung gleich, und sogar tagsüber sanken die Temperatur im Mittel nun um 0,2 Grad. Verantwortlich waren vor allem die küstennahen Regionen (siehe Grafik oben). Dass im Durchschnitt eine Abkühlung herauskam, hat die Forscher selbst überrascht, wie sie schreiben. Ganz trauen sie dem Wert auch nicht; je nach Wahl der Pflanzenparameter könnte es doch eine geringe Erwärmung geben. Entscheidend für den Unterschied zu Phase 1 war jedenfalls, dass die neuen Pflanzen die Seebrise besser passieren lassen, so dass sie weiter ins Land reicht.

Das letzte Wort ist allerdings nicht gesprochen: Das Umpflanzen könnte nämlich auch bedeuten, dass manche Bäume strubbeligen Büschen weichen müssten, und da würden vermutlich nicht nur die Umweltschützer – in den USA bisweilen als „Treehugger“ verspottet – protestieren.

24150210766_f5d47bf138_kDer Dachboden eines Hauses in Kalifornien. Der Boden ist gedämmt, die Unterseite des Daches jedoch nicht sonderlich isoliert. Foto: mit freundlicher Erlaubnis jimvancura.com

Der zweite Tipp für das Energiesparen kommt zwar nicht aus Kalifornien, aber er führt dorthin. Gerade die Metropole Los Angeles nämlich, oft das Sinnbild für Energieverschwendung, hat bei einem Vergleich von sechs Städten am besten abgeschnitten: Die Häuser dort verbrauchen am wenigsten für Heizen und Kühlen, und der Bedarf dürfte im Rahmen des Klimawandels sogar noch sinken, stellt ein Team um Anthony Fontanini von der Iowa State University und dem Fraunhofer-Zentrum für nachhaltige Energiesystem in Boston fest.

In ihrer Studie wollten die Forscher eigentlich den Effekt der Dachkonstruktion erkunden und haben sechs verschiedene Geometrien im Computer simuliert: vom Flach- über das Sattel- und Walm- bis zum Mansarden-Dach mit oder ohne Gauben. Sie werden in den USA ganz anders gebaut als hierzulande: aus leichten Materialien, ganzjährig belüftet. Die Isolationsschicht liegt (oder sollte liegen) zwischen der Decke der Wohnräume und dem Fußboden des Dachbodens.Dass die Bewohner unter dem Dach etwas lagern oder gar ein Zimmer einbauen, haben die Wissenschaftler dabei ignoriert.  Darum änderte die Konstruktion am Ende kaum etwas am Energiebedarf des 143-Quadratmeter-großen Bungalows darunter.

Aber es bewahrheitete sich wieder der alte Makler-Spruch, wonach es auf Lage, Lage und Lage ankommt. In diesem Fall ging es jedoch nicht um Stadtviertel oder gar Straßenseiten (wie bei der Hamburger Elbchaussee), sondern um geografische Regionen, als das Forscherteam die Städte Baltimore, Atlanta, Minneapolis, Seattle, Phoenix und Los Angeles verglichen. Die Metropole in Kalifornien schnitt dabei am besten ab, das heißt, hier floss am wenigsten unerwünschte Wärmeenergie durch die Decke des Wohnbereichs: im Sommer als Wärme nach unten, die weggekühlt werden muss, im Winter als Wärme nach oben, die entweicht und ersetzt werden muss.

Insgesamt ergab sich für den Bungalow in Los Angeles ein hochgerechneter Energiebedarf von gut 11 000 Kilowattstunden, das wäre auch im Vergleich mit relativ neuen Häusern in Deutschland ein guter Wert von 78 KWh/m2 ∙ a. Allerdings liegt das natürlich am milden Klima, nicht an der Bausubstanz. Die zweitplatzierte Stadt, Seattle, kam auf gut 15 000, Phoenix als Schlusslicht auf fast 22 000 Kilowattstunden. Seinen Spitzenplatz erreichte Los Angeles in der Summe über Heiz- und Kühlperiode. Nur in Phoenix muss man im Winter weniger heizen, dafür im Rest des Jahres viel mehr kühlen. In Minneapolis und Seattle wiederum läuft im Sommer seltener die Klimaanlage, dafür im Winter häufiger die Heizung.

Los Angeles hat zudem im Vergleich der amerikanischen Städte die besten Aussichten im Klimawandel: Abhängig vom Erwärmungsszenario sinkt in Südkalifornien der Energiebedarf des simulierten Hauses um zehn bis 23 Prozent. Einen kleineren Rückgang dürfen auch Baltimore, Minneapolis und Seattle erwarten, dafür steigt der Verbrauch in Phoenix um bis zu 19 Prozent und in Atlanta um bis zu 44 Prozent. Dort wird die Hitze schon heute oft unerträglich.

Und ein letzter Hinweis, der zwar aus Hongkong stammt, aber überall dort wichtig werden kann, wo Mücken zur Plage werden können. Zwei Geographen der Universität Hongkong haben untersucht, ob begrünte Dächer zum Brutplatz für Moskitos werden können. Ihre Antwort: eher nein. Sie konnten zumindest auf den drei Dachgärten weniger der stechenden Insekten fangen als auf zwei blanken Flachdächern, wo auch immer mal wieder Pfützen entstehen und als Kinderstube der Mücken dienen können. Auf dem begrünten Dach in Los Angeles (oder San Francisco) müssten aber wiederum dürre-tolerante Pflanzen wachsen, das ist wohl klar.


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