Blick über das Achterdeck eines kleineren Trawlers, wo das Netz eingeholt wird.

Kabeljau am Ende

Wer den Klimawandel unterschätzt, kann offenbar weder Fische noch Fischer retten. Diesem Zweck sollten schließlich die strengen Quoten für den Kabeljau-Fang im Golf von Maine dienen, die 2010 erlassen und zuletzt 2013 erheblich verschärft wurden. Dennoch erholt sich die Population kein bißchen, stellen Forscher eines lokalen Forschungsinstituts fest. Inzwischen ist die Zahl der Fische auf drei bis vier Prozent der Menge gefallen, die eine nachhaltige Fischerei erlauben würde.

Der Grund ist, dass die zuständige Behörde beim Festlegen der Quoten nicht auf die deutliche Erwärmung des Wassers geachtet hatte, stellt das Team um Andrew Pershing von Gulf of Maine Research Institute in Science fest (online, doi: 10.1126/science.aac9819). „Das immer wärmere Wasser hat den Golf immer weniger geeignet für Kabeljau gemacht, und die Reaktion des Managements war zu langsam“, sagt er. Die Quoten waren sehr niedrig und wurden wohl auch eingehalten, lagen aber trotzdem viel zu hoch.

Tatsächlich hat sich die weite Meeresbucht vor dem nordöstlichsten Bundesstaat zuletzt stärker erwärmt als 99,9 Prozent des Wassers aller Ozeane. Schon wenn die Forscher die Temperaturstatistik zwischen 1982 und 2003 betrachten, liegt die Erwärmung dreimal so hoch wie im globalen Durchschnitt, nämlich bei 0,3 Grad Celsius pro Jahrzehnt. Konzentrieren die Wissenschaftler sich auf die Dekade 2004 bis 2013, beträgt die Zunahme sogar 2,3 Grad, vor allen, weil der Zeitraum mit einem kühlen Jahr anfing und mit zwei Rekordjahren endete. 2012 herrschte geradezu eine Hitzewelle im Meer, der Golfstrom mit seinem warmen Wasser verschob sich sehr weit nach Norden. Das Pershing-Team sieht darin eine Folge des zunehmenden Ausstoßes von Treibhausgasen, sprich des Klimawandels.

Eine derartige Betrachtung eines kurzen Zeitabschnittes, dessen Anfang und Ende den Trend auch noch gewaltig steigern, entspricht nicht gerade den Regeln der Wetterstatistik. Für die Kabeljau-Studie ist sie aber gerechtfertigt. Denn gegen Ende der Periode, im Jahr 2010, traten die Fischereiregeln in Kraft, als die Zahl der Fische innerhalb weniger Jahre um vier Fünftel gefallen war. Die Fangquoten haben den Trend aber nicht gestoppt, obwohl sie 2013 um
73 Prozent gesenkt wurden, stellen Pershing und Kollegen fest.

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Während die Temperaturen Golf von Maine immer weiter anstiegen (oben, Abweichung vom Mittelwert in Grad Celsius), ging die Biomasse der fortpflanzungsfähigen Fische drastisch zurück (unten, in Tonnen). Grafik: Lenfest Ocean Program, 2015. Quelle: Pershing et al, Science (online, doi: 10.1126/science.aac9819).

Dabei war der Einfluss der Wärme auf die Fische eigentlich bekannt. Die genauen Ursachen sind allerdings noch ein Rätsel, womöglich bekommen schon Larven und Jungfische in ihrem ersten Sommer Probleme. Auch die Vierjährigen könnten kurz vor der Geschlechtsreife zu wenig Futter finden, weil ihr Energiebedarf im wärmeren Wasser deutlich erhöht ist. Jedenfalls sind im Durchschnitt alle gefangenen Fische zu klein und dünn für ihr Alter gewesen.

Das nicht zu berücksichtigen, zeigen die Forscher auf, hat in Modellrechnungen zu einer ungefähr konstanten Zahl von Fischen geführt und zu falschen Quoten, während in Wirklichkeit die Population abstürzte. Eine Modellrechnung, die den Einfluss der Wassertemperaturen berücksichtigt, hätte deutlich realistischere, niedrigere Zahlen geliefert. „Das hat zu einer frustrierenden Situation geführt und zum Misstrauen zwischen Fischern, Wissenschaftlern und Managern beigetragen“, sagt Pershing.

Selbst wenn die Kabeljau-Fischerei im Golf von Maine nun komplett verboten würde, bräuchte die Fischpopulation angesichts der beobachteten Erwärmung zehn Jahre, um sich zu erholen, zeigt eine Simulationsrechnung. Schon geringe Fangquoten könnten den Zeitraum um weitere acht Jahre verlängern. „Weil der Klimawandel die Arten in Richtung der Pole drängt, müssen Manager solcher Ressourcen zunehmend die Erhaltung der Spezies und den ökonomischen Wert der Fischerei abwägen“, schließen die Forscher. Wer wichtige Größen ignoriert, wird an dieser Aufgabe scheitern.
Christopher Schrader, 29.10.15

P.S.: Die Süddeutsche Zeitung berichtet in ihrer Freitagsgabe auch über eine aktuelle Studie aus kanadischen Gewässern, wo sich der Kabeljau dank noch strengerer Quoten – und weniger Wärme – langsam erholt.


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